Allgemeine Glaubensinhalte

Wir verorten uns in der kurdisch-geprägten Richtung der «Raya/Riya Heq» (Weg der Wahrheit) und verstehen uns als eigenständigen Universalglaube. In dieser Auffassung ist die Wahrheit nicht absolut, sondern man begibt sich auf den mystischen Weg nach der Suche der Wahrheit. Was einem auf dieser Suche begegnet, kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich aufgefasst werden und sich mit der Zeit auch verändern. Eine Gottheit im monotheistischen Sinne existiert nicht unbedingt. Alevit:innen sehen den ganzen Kosmos als eine Einheit. Alle Wesen sind eine Manifestation Gottes und Gott ist in allen Wesen immanent.
Gemäss dem Verständnis der Raya/Riya Heq trägt der Mensch die Verantwortung für sich selbst und für das ganze Leben in der Natur. Das Konzept von Himmel und Hölle demgegenüber ist nicht bekannt. Der Mensch muss die harmonische Ordnung respektieren, indem er drei Prinzipien nachlebt: Gutes Denken, gutes Sagen, gutes Tun. Nach der Auffassung der Raya/Riya Heq hat unser Glaube keine bestimmte Anfangszeit und keine bestimmte prophetische Hauptfigur. Alles hat mit dem Ursprung des sozialen Lebens angefangen.
Im Raya/Riya Heq kennt man eine Gruppe von religiösen Gelehrten wie die „Pir-Rayber-Ana“ , welche über die Jahrhunderte in mündlicher und musikalischer Überlieferung das Überleben dieses Glaubens gesichert haben. Unter diesen Gelehrten gibt es eine erworbene und weitergegebene religiöse Kompetenz, aber keine eigentliche Hierarchie. Hierarchien werden zurückgewiesen.
Raya/Riya Heq kennt kein heiliges Buch wie andere grosse monotheistische Traditionen. Für uns ist der Mensch selbst das heilige Buch. Die Alevit:innen haben ihre Lebensphilosophie und ihr Glaubenssystem durch mündliche Überlieferung mittels Erzählungen, Musik, Poesie dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend weitergegeben.

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